Während in Deutschland das Outdoor-Training, welches viele Athlet:innen auch bei widrigen Wetterbedingungen in den vergangenen Woche konsequent durchgezogen haben, nun bei fast schon sommerlichen Temperaturen wieder mehr Möglichkeiten bietet und somit leichter fällt, stehen in den USA an einigen Orten bereits die ersten Freiluft-Wettkämpfe an. So auch bei Lorenz Herrmann und Franziska Stöhr, die sich nach ihrem Abitur im letzten Jahr für einen Aufenthalt in den USA entschieden haben und im Folgenden von ihren bisherigen Erfahrungen berichten.

„Bereits lange vor unserem Abitur war für uns beide klar, dass wir nach unserem Abschluss ins Ausland verreisen möchten und haben in einem Studium in den USA die optimale Möglichkeit gesehen Auslandserfahrung, Studium und Sport zu verbinden. Aufgrund der Corona Pandemie waren die U.S.-Konsulate in Deutschland für eine lange Zeit geschlossen, sodass es bis zwei Wochen vor geplantem Studienbeginn unklar war, ob wir diese Reise überhaupt antreten können. Glücklicherweise hat es letztendlich doch mit unseren Visa geklappt und wir saßen zwei Wochen später im Flieger, der uns an unser gewünschtes Ziel bringen sollte: die University of Idaho in Moscow, Idaho. Erschöpft nach einer sehr langen Reise hat uns ein altbekanntes Gesicht am Flughafen empfangen. Zufälligerweise hatte sich unser Teamkollege Pascal Kleyer gleichzeitig für ein Studium an der Washington State University in Pullman entschieden, welche nur 10 Minuten von unserer Universität entfernt ist.

Wir leben auf dem Campus in Apartments mit jeweils vier weiteren Teamkolleginnen und Teamkollegen. Glücklicherweise haben wir in unserem Studienalltag trotzt Corona relativ wenige Einschränkungen. Im Gegensatz zu Deutschland haben wir die Möglichkeit, zwischen Präsenz- und Onlineunterricht zu wählen. Auch die Erfahrung eines College-Football Spieles konnten wir schon machen, natürlich mit Abstand und Maske.

Damit ein Training mit dem gesamten Team möglich ist, wird jeder Sportler fast wöchentlich auf Corona getestet. Während der Wettkampfsaison werden wir sogar mehrmals wöchentlich getestet. Zusätzlich herrscht im Training zum Schutz der Athleten und Trainer eine Maskenpflicht. Auch bei leichten Einheiten in der Halle kommt man dadurch ganz schön schnell aus der Puste. Generell nehmen unsere Trainer Corona sehr ernst und legen großen Wert auf den gegenseitigen Schutz. In unserer Freizeit versuchen wir dadurch, den Kontakt mit Studenten außerhalb unserer „Athletics Bubble“ zu vermeiden.

Aufgrund der aktuellen Situation hatten wir eine verkürzte Hallensaison mit zwei kleineren Wettkämpfen, für die wir 10 Stunden mit dem Bus anreisen mussten. Auch unsere bereits begonnene Outdoor Saison kann leider nicht im vollen Ausmaß stattfinden, sodass wir hauptsächlich kleinere, lokale Wettkämpfe bestreiten. Highlights der Saison werden unsere Flugreisen nach Sacramento, Las Vegas und unser Conference-Meet in Utah sein.

Trainingseinblick Lorenz:
Meine Trainingsgruppe besteht aus Mittel- und Langstreckenläufer. Aufgrund der Corona Pandemie wurde unsere Cross Saison in den Winter verschoben. Die meisten meiner Gruppe haben sich im Winter auf die Cross Saison fokussiert, sodass nur ein kleiner Teil Hallenwettkämpfe bestritten hat. Da sich nun die gesamte Laufgruppe auf die Bahnsaison fokussiert, haben wir häufig Einheiten in einer größeren Gruppe. Glücklicherweise habe ich in den USA einen Trainer, der ähnlich wie Günne [Trainer Günther Scheefer], für jeden Athleten individuelle Pläne schreibt und sehr viel Rücksicht auf das jeweilige Leistungsniveau nimmt.
Mein Training beginnt jeden Morgen gegen 8:00 Uhr und unterscheidet sich nur unwesentlich zu dem Training in Karlsruhe. Wesentliche Bestandteile des Trainings sind Tempoläufe, Sprinttraining, Dauerläufe und Krafttraining. Der größte Unterschied zu meinem Training in Deutschland ist, dass ich 3 Mal die Woche in den Kraftraum gehe. Zusätzlich findet das Krafttraining direkt im Anschluss an unser Training statt. Das kann nach einer harten Einheit ziemlich anstrengend sein. Zum Glück haben wir ein “Nutrition Center”, in dem wir nach jedem Training mit Snacks und Getränken versorgt werden.
Nachmittags habe ich zwei bis drei Mal die Woche noch eine kurze Einheit, die entweder aus einem kurzen regenerativen Dauerlauf oder Schwimmen besteht. Hierzu nutze ich das Schwimmbad unseres Schwimmteams, das außerhalb des Schwimmteam-Trainings für die Öffentlichkeit geöffnet ist. Für die bestmögliche Regeneration und zur Vorbeugung von Verletzungen haben wir täglich die Möglichkeit zu unserem Team-Physio zu gehen, ein Eisbad zu nehmen oder die Recovery Boots zu nutzen.

Trainingseinblick Franzi:
Da Lorenz und ich aufgrund unserer Disziplinen in unterschiedlichen Trainingsgruppen sind, unterscheidet sich die Trainingshäufigkeit nur unwesentlich, dagegen aber inhaltlich. Ich bin in einer großen Sprintgruppe und trainiere gezielt mit neun anderen 400m-Lauferinnen und Läufern auf die 400m, bzw. 400m Hürden. Unser Training besteht aus fünf Laufeinheiten, darunter zwei Einheiten in denen wir uns gezielt auf die 400m Hürden vorbereiten. Darüber hinaus haben wir drei Mal Krafttraining und einen weiteren Zirkeltag. Freitagabends gehen wir manchmal noch mit einer gemischten Kleingruppen bestehend aus Läufern und Sprintern schwimmen. Da sich durch Covid die Football-Saison nach hinten verschoben hat, war unsere Indoor-Tartanbahn leider über den Winter mit einem Kunstrasen belegt. Für kurze Sprinteinheiten hatten wir einen Tartan-Läufer. Längere Spint-Einheiten fanden aber auf dem Kunstrasen statt. Man könnte nun die Vorstellung haben, dass dieses Training auf dem Kunstrasen nicht gewinnbringend genug zu sein scheint, so hatte es für mich bis jetzt einen sehr positiven Effekt. Trotz des häufigen, intensiven Trainings bin ich ohne Verletzungen oder irgendwelche Wehwehchen durch die Wintersaison gekommen. Sobald es nun wärmer wird, werden wir immer häufiger draußen in unserem schönen Stadium trainieren. Die Mädels in unserer 400m-Gruppe laufe alle etwa auf dem gleichen Niveau. Dadurch können wir ideal zusammen trainieren und uns gegenseitig zu guten Trainingseinheiten und Zeiten pushen. Wir sind eine sehr harmonische Gruppe: Obwohl wir im Wettkampf Konkurrenten sind, wird hier jeder mit einer ausgesprochenen Herzlichkeit motiviert und in seiner Leistungsfähigkeit bestärkt. Ich habe den Eindruck, dass dies vermutlich auch ein wenig auf die amerikanische Mentalität zurückzuführen ist. Auch wenn ich mich mit der amerikanischen Ernährungsweise nicht unbedingt anfreunden kann, so überwiegt hier das Gute in anderen Dingen. Ich bin froh, dass Lorenz und ich den Schritt gewagt haben, ein Studium in den USA zu beginnen.

Neben dem Studium und dem eigenen Training verbringen wir die restliche Zeit gemeinsam mit unseren Freunden. Am Wochenende zieht es uns oft hinaus in die Natur und die naheliegenden Berge. Mittlerweile sind wir eine recht große Gruppe bestehend aus Athletinnen und Athleten aus allen Disziplinen, die viel Zeit miteinander verbringt. Generell herrscht im gesamten Leichtathletik-Team eine sehr gute Atmosphäre, die durch wöchentliche Team-Meetings gestärkt wird.

Bald geht es für uns zurück nach Deutschland und wir freuen uns schon auf ein Wiedersehen mit euch spätestens im Juni!“

Franziska Stöhr und Lorenz Herrmann