Leichtathletik pur

Ein spannendes und emotionales Leichtathletikwochenende ging am Sonntagabend im Berliner Olympia-Stadion zu Ende. Mit dem Meistertitel von Christoph Kessler über 1.500 Meter und der Bronzemedaille von Mikaelle Assani sowie weiteren guten Leistungen und Platzierungen schnitt die LGR sehr erfolgreich ab. Insgesamt sechzehn Athletinnen und Athleten waren in den Einzeldisziplinen und Staffeln vor der fulminanten Kulisse im Olympia-Stadion am Start.

Mittelstrecklerinnen mit Bestzeiten

Der erste Startschuss der deutschen Leichtathletikmeisterschaften fiel am Samstagmorgen für die 1.500m Läuferinnen. Katja Bäuerle lief im ersten von zwei Vorläufen ein sehr couragiertes Rennen und verpasste den Einzug ins Finale nur um knapp drei Zehntel. Die Juniorin steigerte ihre persönliche Bestzeit aus den USA auf 4:28,64min womit sie in der Endabrechnung Platz 14 belegte und sich damit im Vergleich zur Meldeposition deutlich nach vorne schob.

In der Vormittagssession folgte ein Vorlauf über die Mittelstrecken auf den nächsten, sodass Felix Wammetsberger nur wenige Minuten nach Katja an der Startlinie stand. Leider konnte er nicht sein volles Potential zeigen und verpasste das Finale verletzungsbedingt. Deutlich souveräner war der Auftritt von Christoph Kessler im zweiten Vorlauf. Obwohl diese oft keine Selbstverständlichkeit sind, sicherte sich als Sieger seines Laufs das direkte Ticket fürs Finale.

Über 800m fehlte auch Adeline Haisch nicht viel für das Finale. Mit Platz dreizehn insgesamt und einer neuen Freiluftbestzeit von 2:08,11min kann sie dennoch sehr zufrieden sein. Nach vielen krankheitsbedingten Ausfällen im Frühjahr ist das ein tolles Ergebnis.

U20-Sprinter Heiko sammelt Erfahrungen

Mit den in Wetzlar erreichten 10,53sek über 100m knackte Heiko Gussmann die A-Norm des DLV und wurde zum jüngsten Teilnehmer des 100m-Sprints der Männer bei dieser Meisterschaft. Im Vorlauf wollte der auch im kommenden Jahr noch der U20 angehörige Sprinter seine Zeit nochmals verbessern und das Halbfinale erreichen. Es kam jedoch anders. Mit einem völlig verschlafenen Start, mit großem Abstand als Letzter vom Block wegkommend, stürmte Heiko dem Feld hinterher und zeigte seine Stärke im fliegenden Bereich. „Wie man mit solch einem Katastrophenstart noch 10,70s rennen kann ist schon phänomenal und zeigt sein wahres Potential auf, das er hoffentlich am Samstag in Mannheim bei der Bauhausgala zeigen kann“ meinte sein Coach Udo Metzler kopfschüttelnd nach dem Rennen.

Erstklassige Rennen von Markus und Amélie

Aufgrund einer Unwetterwarnung mussten die Wettkämpfe am Nachmittag für eine gewisse Zeit unterbrochen werden, sodass sich der Start für die Hindernisläuferinnen nach hinten verschob. Das Finale über 3.000m Hindernis wurde somit zum Abschluss des ersten Wettkampftages im Stadion. Amélie Svensson sammelte mit einem großartigen Rennen weitere wertvolle Punkte für die Rangliste und die EM-Qualifikation. In 10:02,99min überquerte sie die Ziellinie und erreichte mit dieser Bestzeit einen sehr guten vierten Platz.
Antje Alt musste im gleichen Rennen leider erkältungsbedingt aussteigen.

Nach nur etwa 15 Minuten Aufwärmzeit nach der Unterbrechung mussten die Läufer für den 5.000 Meter Start bereit sein. Dies war nur ein Aspekt von vielen, an dem der große Einfluss des Fernsehens und die Ausrichtung der Wettkämpfe auf die mediale Berichterstattung deutlich wurde. Sehr starker nationaler Konkurrenz stand LGRler Markus Görger gegenüber. In dem Rennen auf sehr hohem Niveau und mit einem unrhythmischen Verlauf auf den ersten vier Kilometern fiel die Entscheidung erst auf der letzten Runde. Markus hatte bis dahin stets den Kontakt nach vorne gehalten und zeigte mit einem schnellen letzten Kilometer in 2:34min ein fulminantes Rennen. In 13:47,33min kam er als sechster und nur sehr knapp zu Platz vier ins Ziel. Seine eigene Bestzeit verpasste er trotz des taktisch geprägten Rennens nur um zwei Sekunden.

Kleine Wechselfehler verhindern besseres Ergebnis

Der Sonntagmorgen gehörte dann den Staffeln, die leider ohne nennenswertes Publikum ihre Zeitläufe absolvieren mussten. Die sehr schwache Zuschauerresonanz war an beiden Tagen in den Vormittags- und Abendsessions deutlich spürbar. Nach einer guten Kurve übergab Nina Garay an Tabea Müller, die trotz Gegenwind eine tolle Gerade sprintete.  Der zweiten Wechsel misslang dann gründlich, denn Anna Zittel lief viel zu früh ab und konnte den Wechsel nur durch abruptes Abstoppen retten. Sie musste somit wieder aus dem Stand lossprinten. Sarah Krems brachte den Stab dann sicher in 47,92sek ins Ziel. Hier wäre ohne Wechselfehler mit einer tiefen 46-iger Zeit eine deutlich bessere Platzierung möglich gewesen, was dem Leistungsniveau des Quartetts viel eher entsprechen würde.

Auch die Männer, die in der Besetzung Niclas Schmid, Marvin Hock, Jake Bowe und Heiko Gussmann an den Start gingen waren mit ihrer Vorstellung nicht zufrieden. Am ersten Wechsel war Marvin Hock etwas zu früh unterwegs, auch die beiden folgenden Wechsel waren nicht optimal. Heiko Gussmann machte mit einem starken Rennen noch einige Plätze gut und brachte die Staffel als Zweite ins Ziel. Dennoch lief das Quartett mit 41,16sek nicht nur Saisonbestleistung, sondern freute sich mit etwas Abstand auch mehr über die Platzierung als sechste des Gesamtklassements als über die vertane Chance auf eine tiefe 40-iger Zeit zu hadern.

Etwas Pech hatte Marvin Hock am frühen Nachmittag bei der Bahnverteilung über 200m in seinem ersten Einzelrennen bei einer Deutschen Meisterschaft. Auf Bahn eins kämpfte der „lange Kerl“ heftig in der Kurve und war so ohne Chance auf eine bessere Zeit. Mit den erreichten 21,92sek war er verständlicherweise nicht zufrieden.

(c) Jan Lenfert

Titel mit Zeitverzug für Christoph Kessler

Mit Spannung wurde das Top-besetzte 1.500m Finale der Männer erwartet. Nachdem keiner der anderen Favoriten beim Versuch, ein Temporennen zu organisieren, um noch Punkte für die Weltrangliste zu sammeln, mitmachen wollte, entschlossen sich Chris und sein Trainer Günther Scheefer dafür ein taktisches Rennen zu machen und notgedrungen auf die WM-Chance zu verzichten. So waren auch die ersten 700m des Rennens sehr langsam (1:55min), erst auf den letzten zwei Runden nahm das Rennen Fahrt auf und wurde extrem schnell (800m in 1:49). Chris konnten den Tempowechselattacken des Dortmunders Mohamed Mohumed gut folgen und nach einem Stolperer und einer kleinen Rempelei in der letzten Kurve auf der Zielgerade seine Spurtfähigkeiten zeigen. Er überquerte die Ziellinie als Erster in 3:44,64 min, dicht gefolgt von seinem sehr guten Freund Marius Probst. Nach dem Meistertitel in der Halle sollte dies sein erster Titel im Freien sein. Doch die Stunden nach dem Zieleinlauf wurden noch sehr aufregend. Die erwähnte Rempelei passierte, nachdem Chris vor der letzten Kurve selbst rechtzeitig die Attacke verpasste hatte, 110m vor dem Ziel. Zwischen Mo innen und Marc Tortell außen eingequetscht, brachte eine Schulterberührung von Marc Chris ins Straucheln, die er mit einer Gegenbewegung ausglich und damit Marc erwischte. Die Schiedsrichter sahen direkt im Rennen kein Vergehen von Chris. Nach Protest seines Konkurrenten und Sichtung von Videomaterial votierte das Schiedsgericht dann aber doch für die Disqualifikation. Mit glücklicherweise vorhandenen eigenen Videoaufnahmen aus einer anderen Perspektive als die Fernsehbilder, führte der eingelegte Gegenprotest nach fast zwei Stunden dann doch zum Titelgewinn für Christoph. Die hochemotionale Achterbahnfahrt mit durchgeschwitzten Klamotten und hohem Puls nahm somit ein happy End!

(c) Stefan Mayer
(c) Stefan Mayer

Mit dem letzten Sprung zu Bronze

Insgeheim spekulierte das Duo Assani / Metzler schon etwas mit einer Medaille, hatten die weiten Sprünge in Bern doch diese Hoffnung genährt. Mit 6,46m gelang Mikaelle im zweiten Versuch in einem insgesamt sehr spannenden und engen Wettkampf dann auch ein Platz im Spitzenbereich, in dem nur 4cm Platz zwei und vier trennten. Die Windbedingungen führten dazu, dass mehrere Sprünge nicht optimal am Brett und so viel weiter als gemessen waren. Sie rutschte auf Platz vier ab, aber wie schon häufig schlug sie dann im letzten Versuch zurück, sprang mit 6,54m Saisonbestleistung und übernahm den Silberplatz. Die nachfolgende Maryse Luzolo konterte mit 6,60m und holte sich ihren zweiten Platz zurück. Nach dem Pech bei der DM 2021, wo sie um 1cm geschlagen, den undankbaren 4.Platz belegte, war dieses Jahr Können und Glück auf ihrer Seite und die Bronzemedaille verdienter Lohn für eine tolle Leistung. Auch das Lob des Bundesnachwuchstrainer Peter Rouhi für ihre Stärke in entscheidenden Versuchen, war ihr damit sicher.

Abschied von Julian Howard

Eigentlich sollte die Meisterschaft sein Abschied werden. Nachdem die nun schon ewig andauernde Entzündung der Patellasehne das große Ziel EM München schon früh Utopie werden ließ, keimte lange noch die Hoffnung wenigstens bei der DM in Berlin noch einmal aktiv dabei sein zu können. Leider machte die Sehne auch das unmöglich und so beschloss Julian zusammen mit seinem langjährigen Coach Udo Metzler wenigstens als Zuschauer beim Weisprung der Männer dabei zu sein, seine Konkurrenten zu beobachten, Abschied vom aktiven Leistungssport zu nehmen und die Karlsruher Athleten zu unterstützen.

Wir danken Julian für seine erfolgreiche Karriere und lange Zeit bei der LGR!